Personalisierung

Das Internet ist unüberschaubar gross und unsortiert. Internet-Dienste machen uns daher geeignete Vorschläge, die an unsere persönlichen Interessen und Präferenzen angepasst sind. Das klingt zwar praktisch, hat aber auch bedenkenswerte Nebenwirkungen.

MATERIALIEN

 

Die Menge sämtlicher (öffentlicher) Inhalte des Internets übersteigt das, was ein einzelner Mensch in seinem Leben jemals wird sichten können, bei weitem. So bräuchte man beispielsweise bereits mehrere tausend Jahre, um alle auf YouTube verfügbaren Videos anzuschauen – und jede Minute kommen mehr als 500 Stunden dazu! (Stand 2018) Oder Wikipedia: 2020 finden sich über 2.3 Millionen Artikel in deutscher Sprache auf Wikipedia; über 5.9 Millionen in Englisch – das Durchlesen könnte eine Weile dauern.

Auswahlvorschläge

Weil also ein Einzelner niemals alles durchsehen kann, ist er auf eine Auswahl angewiesen. Das machen sich Internet-Dienstleister zunutze:

  • Internetsuche: Links, die in der Rangliste oben erscheinen;
  • Videoportale: Videos, die Ihnen als nächste vorgeschlagen werden;
  • Newsportale: Artikel, die Ihnen auf der Hauptseite oder Unterseiten empfohlen werden;
  • Buchungsportale oder Onlineshops: Welche Angebote zuerst oder weit oben angezeigt werden, welche besonders hervorgehoben werden, welche “ähnliche Ergebnisse” prominent platziert werden.

Worauf aber stützen die Anbieter der entsprechenden Dienste ihre Vorschläge?
Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, um aus einer grossen Menge von Inhalten eine kleine Menge von Vorschlägen herauszufiltern:

  1. Menschliche Redaktion/Kuration: Ein Mensch, möglichst ein Experte, sichtet die verfügbaren Inhalte und trifft eine Auswahl. Angesichts der grossen Menge verfügbarer und ständig neu hinzukommender Inhalte spielt diese Option eine zunehmend untergeordnete Rolle – auch, weil man diese Experten bezahlen muss. Natürlich wird die Auswahl eines Menschen auch nicht unbedingt objektiv sein. Gleichzeitig ist ein menschliches Urteil bezüglich der Qualität und Relevanz von Inhalten noch immer tiefer als algorithmische Lösungen.
  2. Automatische Analyse von Inhalten: Ein Algorithmus versucht, Relevanz und Qualität von Inhalten abzuschätzen. In bestimmten Fällen kann das recht gut funktionieren, so kann ein Algorithmus ziemlich zuverlässig beurteilen, wie sauber der Quellcode einer Webseite ist – Google berücksichtigt dieses Mass übrigens bei der Rangierung der Treffer. Für andere Fälle funktioniert die automatische Beurteilung weniger gut – beispielsweise wenn ein Algorithmus versuchen soll, die literarische Qualität eines Textes einzuschätzen, oder wenn es für Content-Filter darum geht, eine Unterscheidung von Plagiaten und zulässigen Bezügen (z.B. Satire) zu machen.
  3. Personalisierung: Hier geht es ebenfalls um Algorithmen, aber bei der Auswahl von Vorschlägen fliessen zusätzliche Informationen über den Benutzer mit ein – so werden seine Interessen, sein Geschmack oder seine Kaufkraft eingeschätzt und die Vorschläge entsprechend angepasst. Bekannt ist dieses Prinzip in Bezug auf personalisierte Werbung: Google verdient mehrere Milliarden Dollar im Jahr damit, auf den individuellen Benutzer zugeschnittene Werbung zu platzieren. Aber haben Sie gewusst, dass auch Suchergebnisse – nicht nur bei Google – personalisiert sind? Und dass sich nicht nur die gezeigten Treffer, sondern auch Preise unterscheiden können, je nachdem, wer sucht?

In der Praxis werden die drei obenstehenden Herangehensweisen gemischt. So basiert der ursprüngliche Erfolg von Google als Suchmaschine darauf, das menschliche Urteil algorithmisch nutzbar zu machen, indem ein Link auf eine externe Website als eine Art Votum für deren Relevanz interpretiert wird – und dieses Votum entsprechend höher gewichtet, wenn es von einer Seite kommt, auf die viele andere Seiten linken.
Im zunehmend interaktiven Web2.0 gibt es viele weitere Möglichkeiten, aus verfügbaren Daten zu Benutzerverhalten (z.B. Likes) darauf zu schliessen, ob und für wen bestimmte Inhalte interessant sind – und diese Verhaltensdaten wie auch verfügbare oder daraus abgeleitete Personendaten, Eigenschaften, Informationen zu Standort, benutztem Gerät, etc. werden für die Personalisierung eingesetzt. Das führt dazu, dass verschiedene Benutzer unterschiedliche Vorschläge zu sehen bekommen – zumeist ohne beurteilen zu können, dass oder auf welcher Basis die Vorschläge personalisiert sind.

Filterblasen

Das primäre Ziel der Personalisierung ist (oder war) es, aus dem inzwischen unüberschaubaren Informationswust auf die individuellen Interessen des Benutzers zugeschnittene Informationshappen automatisch herauszusuchen und ihm damit die Arbeit abzunehmen, seine Suche entsprechend zu konkretisieren oder selbst die persönliche Relevanz verschiedener Ergebnisse zu beurteilen. Das Beispiel der Personalisierung von Werbung oder Preisen zeigt, dass mit derselbe Technik auch sehr handfeste kommerzielle Ziele verfolgt werden. Doch es gibt noch eine indirektere, aber potentiell gefährlichere Auswirkung dessen, dass inzwischen fast überall unsichtbare Algorithmen beurteilen, welche Informationen einen bestimmten Benutzer vermutlich interessieren: es wird zunehmend schwieriger wahrzunehmen, dass es auch andere Informationen, Interessen und Meinungen gibt.


Filterblase

Erstellt von Seraina Hohl

Die Filterblase (englisch filter bubble) oder Informationsblase ist ein Begriff, der vom Internetaktivisten Eli Pariser in seinem gleichnamigen Buch von 2011 verwendet wird. Laut Pariser entstehe die Filterblase, weil Webseiten versuchen, algorithmisch vorauszusagen, welche Informationen der Benutzer auffinden möchte – dies basierend auf den verfügbaren Informationen über den Benutzer (beispielsweise Standort des Benutzers, Suchhistorie und Klickverhalten). Daraus resultiere eine Isolation gegenüber Informationen, die nicht dem Standpunkt des Benutzers entsprechen.

Quelle: Wikipedia, Filterblase

Analogie

Möchten Sie sich bei jemandem einschmeicheln, so überlegen Sie sich, was diese Person gerne (z.B. auch über sich selber) hören möchte. Sie äussern sich dann entsprechend – unangenehme Informationen hingegen verschweigen Sie.
Man kann sich gut vorstellen, dass im Umfeld von sehr mächtigen, einflussreichen, berühmten oder reichen Menschen viele Personen sich so verhalten…

Wie weit geht Personalisierung wirklich?

Das ist das Problem: Der Benutzer kann nicht beurteilen, ob und auf welche Weise seine Ergebnisse von personalisierten Algorithmen gefiltert werden. Über die Suchergebnisse bei Google ist beispielsweise bekannt, dass schon seit 2005 zunehmende Anstrengungen zu deren Personalisierung unternommen werden (dazu: http://journals.uic.edu/ojs/index.php/fm/article/view/3344/2766).
Zu Beginn war die Personalisierung noch daran gekoppelt, dass man mit einem Google-Konto eingeloggt sein musste; inzwischen sind alle Ergebnisse zu einem gewissen Grad personalisiert. Informationen darüber, welche Informationen für die Personalisierung einbezogen werden und welche Auswirkungen sie jeweils haben, gibt es kaum – aufgrund der Komplexität der Materie darf sogar bezweifelt werden, dass die Google-Ingenieure selbst genau sagen könnten, ob es z.B. einen Unterschied macht, wenn ich am Computer oder am Mobiltelefon suche.

Machen wir doch selbst ein paar Experimente:

  • Google Suche (1):
    Wir suchen nach demselben Begriff, einmal vom Handy aus, einmal vom Schul-PC aus, einmal vom Computer zu Hause aus. Sind die angezeigten Resultate dieselben?
  • Hotelbuchung:
    Wir suchen nach einem Hotel in Aarau, einmal vom Handy aus, einmal vom Schul-PC aus, einmal vom Computer zu Hause aus. Sind die angezeigten Preise dieselben?
    Wie sieht es aus, wenn wir von hier aus ein Hotel in Lugano oder London suchen?
  • Google Suche (2):
    Zwei Personen suchen nach jeweils vier unterschiedlichen und danach dem gleichen Begriff. (Beispiel: Vorher nach Reisen, Flug buchen, Schalenkoffer, Visum resp. Wein, Parmesan, Olivenöl, Pelati; danach nach Italien.)
    Denken Sie sich zu zweit ein solches Beispiel aus und führen Sie die Suchen durch. Sind die am Schluss angezeigten Resultate dieselben?

Und nun wieder zurück unserer eigenen Filterblase, in der wir uns befinden und die unsere Wahrnehmung der Welt beeinflusst:

Wie können wir aus der Blase ausbrechen? Was tun Sie, um nicht in einer solchen Blase gefangen zu werden?
Überlegen Sie sich drei konkrete Dinge, die Sie tun können!

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